Harninkontinenz

Inkontinenz ist ein häufiges, für die Betroffenen meist sehr belastendes Leiden, das in unterschiedlicher Ausprägung und Erscheinungsform vorkommt und vielfach leider immer noch ein Tabuthema darstellt. Inkontinenz ist in den meisten Fällen heil- oder zumindest deutlich verbesserbar; hierfür ist jedoch eine kompetente, fachärztliche Untersuchung und Therapie unbedingte Voraussetzung.

Die Deutschen Kontinenz Gesellschaft hat unsere Praxis als einzige Urologische Praxis in Sachsen-Anhalt als Beratungszentrum zertifiziert. Wir arbeiten eng zusammen mit den Kontinenzzentren der Krankenhäuser Universitätsklinikum Halle, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau und Helius-Klinik Eisleben.

Kontinenzgesellschaft

Was versteht man unter Harninkontinenz?

Der Begriff Inkontinenz bezeichnet den unwillkürlichen, das heißt unkontrollierten Verlust von Urin. Die Ursachen sind unterschiedliche Erkrankungen im Bereich der Harnblase und deren Verschlussmechanismen.

Wer ist betroffen?

Inkontinenz ist ein weit verbreitetes Leiden, welches in der Bundesrepublik Deutschland etwa 6 Millionen Menschen beider Geschlechter und aller Altersstufen betrifft. Etwa 50 % aller Frauen sind im Laufe Ihres Lebens betroffen. Durch Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit und sozialen Rückzug stellt die Harninkontinenz für den Betroffenen oft eine schwere körperliche und seelische Belastung dar mit deutlicher Einbusse an Lebensqualität. Aus Schamgefühl wird das Leiden oft lange - selbst dem Arzt gegenüber - verschwiegen. 90% aller Pflegeheimbewohner sind inkontinent. In vielen Fällen ist die Inkontinenz und damit verbundene "(Geruchs-)belastung" der Angehörigen die Ursache für die Einweisung in eine Pflegeeinrichtung.

In Anbetracht der unterschiedlichen Formen und Ursachen von unwillkürlichem Urinverlust ist es für Betroffene ganz entscheidend, sich an einen erfahrenen Arzt, insbesondere einen Urologen, zu wenden. Ihm ist es möglich, durch gezielte Fragestellungen und Untersuchungen eine individuell angepasste Therapie einzuleiten. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Behandlungsmöglichkeiten ist Inkontinenz heutzutage in sehr vielen Fällen heil- oder zumindest deutlich verbesserbar!

Welche Formen und Ursachen von Harninkontinenz gibt es?

Man unterscheidet als Hauptformen die Belastungs- (Stress-) Inkontinenz von der Dranginkontinenz, wobei jedoch auch Mischformen vorkommen können. Den seltenen Fällen einer vollständigen Inkontinenz (permanenter Urinverlust) können die verschiedensten Ursachen zugrunde liegen.

1. Die Belastungs- (Stress-) Inkontinenz

Bei Erhöhung des Druckes in der Harnblase, beispielsweise beim Husten, Niesen, Laufen, Treppensteigen oder Aufstehen, kommt es zum Urinverlust aufgrund einer Störung im Bereich des Harnröhrenverschlussmechanismus. Ursächlich ist bei dieser Form von Inkontinenz oft eine Schwäche des Blasenschliessmuskels und der damit eng in Zusammenhang stehenden Beckenbodenmuskulatur. Der muskuläre Beckenboden kann beispielsweise durch mehrfache Geburten geschwächt werden, eine Senkung von Gebärmutter und Harnblase mit nachfolgender Schwächung des Harnröhrenverschlusses ist dann häufig die Folge. Daneben sind hormonelle Veränderungen und schliesslich Opera-tionen oder Verletzungen im Bereich des Beckens mögliche Ursachen eines unzureichenden Harnröhrenverschlussmechanismus mit nachfolgender Belastungsinkontinenz.

Von der Stressinkontinenz sind in erster Linie Frauen betroffen, sie kann jedoch auch bei Männern nach chirurgischen Eingriffen an der Vorsteherdrüse (Prostata) auftreten. Diese Form der Inkontinenz kann in leichteren Fällen konservativ, ansonsten durch einen operativen Eingriff behoben werden.

2. Die Dranginkontinenz (Urge)

Der Dranginkontinenz liegt in erster Linie eine Überaktivität des Blasenmuskels zugrunde. Die Betroffenen leiden unter plötzlich einsetzendem, nicht unterdrückbarem Harndrang, der zu ungewollten Urinverlusten führt, sowie zu häufigen Toilettengängen mit Entleerung kleiner Urinmengen. Mögliche Ursachen sind Harnwegsinfekte, Störungen der die Blase versorgenden Nerven, oder des übergeordneten Nervensystems. Selten sind Geschwülste der Blase Ursache einer Dranginkontinenz. Der Verschlussmechanismus der Harnblase ist im Gegensatz zur Stressinkontinenz bei dieser Form der Inkontinenz meist intakt. Die Dranginkontinenz betrifft häufiger Männer und ist oftmals medikamentös sehr effektiv behandelbar. In besonderern Fällen kann eine Ruhigstellung des Blasenmuskels mit Botulinum-Toxin (Botox®) erreicht werden.

Bei etwa einem Viertel aller Inkontinenzleiden liegt eine gemischte Drang-/Stressinkontinenz vor.

3. Reflexinkontinenz

Bei neurologischen Erkrankungen, z.B. Querschnittslähmung oder Multipler Sklerose kann es zur Ausbildung einer ungehemmten Aktivität der Harnblase kommen mit fehlerhafter Funktion des Schließmuskels (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie).

4. Überlaufinkontinenz

Die Überlaufinkontinenz beschreibt den Zustand des Herauströpfelns von Urin bei erheblich gefüllter Harnblase und dem Unvermögen diese zu entleeren (Restharn). Das kommt durch ein Hindernis unterhalb des Blasenauslaß (subvesikale Obstrukion) z.B. durch eine Enge (Striktur) oder vergrößerte Prostata (Prostatahyperplasie).


Welche Untersuchungen werden bei Inkontinenzleiden durchgeführt?

Zu Beginn steht zunächst ein ausführliches Gespräch zur Krankenvorgeschichte, vorausgehenden Operationen, Ausmaß, Anlass und Begleitumstände unkontrollierter Urinverluste. Danach richtet sich das weitere Vorgehen (Diagnosefindung). Ein einfaches, aber wichtiges Instrument ist das Miktionstagebuch. Dort vermerkt der Patient wann er wieviel trinkt, wann und wieviel ausscheidet, wann und wieviel er unkontrolliert ausscheidet und wann er die Vorlagen wechseln muß.

Anschließend folgen körperliche Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf die Organe des Harntrakts (Geschlechtsorgane sowie Blase), Harnanalyse und Ultraschalluntersuchung. Gegebenenfalls kommen eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) oder eine Blasendruckmessung (Urodynamik) zum Einsatz. In seltenen Fällen sind spezielle Röntgenaufnahmen der Blase und ableitenden Harnwege sinvoll.

Diese Verfahren sind ambulant in meiner Praxis durchführbar, in der Regel für die Patienten wenig belastend und weitgehend schmerzfrei. Die eingehende und sorgfältige Untersuchung ist die entscheidende Voraussetzung für eine individuelle, angemessene Therapie der Inkontinenz.

Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen bei Inkontinenzleiden zur Verfügung?

Die Behandlung (Therapie) richtet sich ganz individuell nach der Form und dem Ausmaß sowie der zugrunde liegenden Ursache der Inkontinenz. Man unterscheidet zwischen konservativen, d. h. nicht-operativen und operativen Therapieverfahren.

Konservative Therapiemöglichkeiten

• Gezielte krankengymnastische Übungen: Ziel ist eine Kräftigung des Beckenbodens und damit der Harnröhrenverschlussmechanismen (Beckenbodengymnastik) sowie Übungen für die willkürliche Kontrolle der Blase (Biofeedbacktraining)
• Gezieltes Toilettentraining, d. h. Einüben einer regelmäßigen Blasenentleerung
• Medikamente mit dämpfender Wirkung auf die Harnblase (bei überaktivem Blasenmuskel)
• Einsatz von Inkontinenzhilfsmitteln wie Vorlagen oder spezielle Urinableitesysteme 

Operative Therapiemöglichkeiten

Angewendet werden Korrekturoperationen bei Beckenbodenschwäche mit nachfolgender Senkung von Blase und inneren Geschlechtsorganen (Blasen-/Gebärmutter-/Scheidenvorfall). Hierfür steht eine Vielzahl verschiedener Operationstechniken zur Verfügung, die entweder durch einen kleinen Unterbauchschnitt oder von der Scheide aus vorgenommen werden können. Neuerdings werden diese Eingriffe "minimal-invasiv", d.h. mit möglichst geringer Belastung durch die Operation (kleine Schnitte, sehr kurze Krankenhaus-Verweildauer oder ambulant) vorgenommen. Für die minimal-invasiven Operationsverfahren sind noch keine Langzeitergebnisse verfügbar, die bisherigen mittelfristigen Ergebnisse sind bei richtiger Indikation sehr gut. Allerdings sind auch schon verheerende Komplikationen (Blasen-/Darm-Perforation, Blutung oder Durchwanderung des Bandes) beschrieben worden.

In den seltenen Fällen einer vollständigen Urininkontinenz (permanenter Urinverlust) liegen oft eine Fehlbildung des Harntraktes, oder komplexe Folgezustände nach Entzündungen oder operativen Eingriffen im Beckenbereich vor. Die hier meist erforderliche operative Therapie wird bestimmt durch die zugrunde liegende Problematik.


Eine Option ist die zeitweise vollständige oder teilweis Ruhigstellung des Harnblasenmuskels mit einem Nervegift Botulinum-Toxin (Botox). Die Botoxinjetion in die Harnblase kann ambulant in lokaler Betäubung in unserer Praxis durchgeführt werden. Seit Januar 2013 ist Botox zur Behandlung der Blase zugelassen, seit 1998 wird Botox schon zur Behandlung der Blase verwendet.


Nur in extremen Ausnahmefällen werden Operationen mit dem Ziel einer Ersatz-Blasenbildung aus Darm (sogenannte kontinente Harnableitung) erforderlich. Diese Operationen werden an urologisch-operativen Zentren mit entsprechender Erfahrung auf dem Gebiet der Ersatzblasenchirurgie durchgeführt.